Storytelling für menschliches Marketing: Mit Geschichten empathisch ansprechen
02.12.2021
Storytelling habe ich dir schon als eine von 7 Zutaten für Texte mit Persönlichkeit empfohlen. Es verdient aber mehr Aufmerksamkeit – schließlich ist es das Wundermittel schlechthin, um deine Traumkundschaft empathisch anzusprechen.
Deshalb beantworte ich heute vier W-Fragen zum Storytelling im Marketing:
- Was ist Storytelling?
- Warum ist es im Marketing so wirksam, Geschichten zu erzählen?
- Wann/wo machst du das geschickt?
- Und wie genau findest du eine gute Geschichte zu deiner Botschaft?
1. Was ist Storytelling?
Also eigentlich ganz einfach: Du hörst auf, von dir und deinem Produkt zu erzählen – und sprichst deine Traumkundschaft mit einer Geschichte an.
Als Literaturwissenschaftlerin und Fan von Kreativem Schreiben begeistert mich das. Mein Wissen darüber, wie man gute Geschichten erzählt, hilft mir beim Marketing mehr, als mein Ex-Professor wahrhaben will.
Aber keine Angst! Du musst nicht Literaturwissenschaft oder Kreatives Schreiben (oder irgendwas) studiert haben. Du musst nicht Shakespeare, J. K. Rowling oder Käpt’n Blaubär heißen. Statt großer Literatur, Werken epischen Ausmaßes und ausgefallenem Seemannsgarn überzeugen beim Storytelling im Marketing kurze, ganz alltägliche Geschichten – die hinter mehr Ecken lauern als ein Exhibitionist.
2. Warum Storytelling im Marketing?
Mit Geschichten weckst du Emotionen.
Du zeigst dich (oder eine andere Person) als Mensch aus Fleisch und Blut, mit nachvollziehbaren Problemen, mit dem man mitfühlt. Du baust dadurch Glaubwürdigkeit, Vertrauen und eine starke Kundenbindung auf. Untermauerst rationale Argumente. Überzeugst, ohne (zu) offensichtlich ein Produkt anzudrehen.
Und: Du hebst dich mit einer einzigartigen Story von der Konkurrenz ab. Die kann ein ähnliches Produkt anbieten – aber nicht deine Geschichte. #uniquecontent
3. Wann/wo eignet sich Storytelling besonders?
Immer und überall!
Tatsächlich findest du Storytelling im Marketing an ganz verschiedenen Stellen.
Unternehmen erzählen z. B. auf ihren Webseiten gerne Geschichten – auf der About-Seite oder in Fallstudien. Solche Texte bestehen sogar oft komplett aus einer Story. Ich selbst nutze das nur teilweise (!) auf meiner Über-mich-Seite.
Denn Achtung: Einschlafgefahr! Nicht jede Geschichte, die so lang ist wie ein Thriller, packt die Lesenden auch so. Zumal letztere im Sog der Unternehmensgeschichte oft so lange untergehen, dass es lebensgefährlich wird. Sie sollen doch die Hauptpersonen bleiben!
Ansonsten eignen sich kürzere Geschichten (Ministorys) sehr gut fürs Content Marketing: im Newsletter, auf Social Media, in Produkttexten oder sogar in der Headline.
Denn dass eine Kurzgeschichte echt wenige Worte kurz – und trotzdem herzzerreißend – sein kann, bewies schon Hemingway: „Zu verkaufen: Baby Schuhe, nie getragen.“
4. Wie erzählt man eine gute Geschichte?
Storytelling klingt ganz interessant? Kann man mal machen?
Okay. Dann kommt jetzt der Clou: Wie macht man’s richtig?
Hier ein paar Basics aus dem Kreativen Schreiben – ja, du kommst nicht ganz drum herum:
4.1 Was brauchst du für eine gute Story?
- Eine Identifikationsfigur: einen normalen, sympathischen, fehlbaren Menschen (oft du selbst)
- mit einem Problem,
- aus dem eine Handlung oder eine Reise mit persönlicher Weiterentwicklung entspringt,
- wodurch die Person ihre Krise überwindet,
- sodass bei den Lesenden am Ende eine Botschaft (und nur eine!) ankommt.
Wichtig dabei:
- Überlege dir erst die Botschaft, die du vermitteln willst – und dann die Story dazu!
- „Show, don’t tell“: Das heißt, du kloppst deinem Publikum nicht mit dem Holzhammer deine Botschaft ins Hirn. Es darf beim Lesen nachdenken – und stolz sein, wenn es selbst drauf kommt.
4.2 Wie findest du eine gute Story?
Nochmals: immer und überall!
Ja, wirklich. Auch die ganz großen Schriftsteller:innen gehen im Alltag auf die Suche nach Geschichten. Die kommen oft von selbst zu einem – wie die Fruchtfliegen zum Kirschkuchen.
Deshalb geh einfach mit offenen Sinnen durch die Welt. Schnappe Bilder, Gesprächsfetzen, Gerüche auf – und notiere alles sofort.
Ganz wichtig: Nicht direkt zensieren! „Zu banal“ geht kaum. Man kann auch aus einem Laubhaufen, der nicht weggekehrt wurde, eine Story machen. (Sieh dir die BILD-Zeitung an…)
Denk immer dran: Deine Lesenden haben auch kein aufregenderes Leben als du!
Kennst du Raymond Queneaus Stilübungen (Exercices de style)? Darin erzählt er eine ganz banale Alltagsepisode:
Noch wach?
Dann verrate ich dir jetzt das Geniale daran: Queneau erzählt diese Geschichte in über 100 Varianten – als Schauerroman, Sonett, Amtliches Schreiben, Komödie, beleidigend, reaktionär, lautmalerisch, in Alexandrinern… Ein frühes Beispiel dafür, dass Storytelling mehr Diversity bietet als der Cast von "Drag Race"!
Auch im Marketing kannst du Geschichten in ganz unterschiedlichen Formaten präsentieren.
4.3 Welche Storyformate kannst du nutzen?
Das erklärt dir Daniela Rorig ganz toll in ihrem Handbuch Texten können (Pflichtlektüre für alle, die Content Marketing betreiben!).
Hier die Kurzform:
- Anekdote: „Erzähl doch mal einen Schwank aus deinem Leben!“ Ein Satz, der mich auf der Familienfeier ins Tischtuch beißen lässt – im Marketing aber besser einschlägt als ein Eiswagen am letzten Schultag vor den Sommerferien. Geschichten über dich oder aus deinem Umfeld eignen sich sowieso super!
- Beichte: noch persönlicher, macht dich zu einem sympathischen, weil fehlbaren, normalen Menschen. Leg deine Gefühle auf den Tisch und leite dann elegant zu deiner Botschaft über. Wichtig: Erzähle nur, womit du dich wohlfühlst – ebenso wie vermutlich dein Publikum.
- Dialog: wirkt real, muss aber literarisiert und komprimiert sein. (Niemand möchte ein zehnminütiges Gespräch im Bus 1:1 nachlesen.) Auch wichtig: Jede Figur klingt verschieden und alles kommt im Gesprochenen rüber. Also möglichst keine Inquit-Sätze („sie sagte“, „er entgegnete“), keine langen Regieanweisungen, keine Verben und Adjektive, die Gefühle ausdrücken müssen.
- Action-Szene: Lass den Lesenden keine Zeit zum gemütlichen Ankommen – wirf sie mitten rein. Beschreibe nur, was man sehen und hören kann (keine Gefühle), konzentriere dich auf starke Details, nutze dynamische Verben, kurze Sätze oder sogar Ellipsen / Halbsätze.
- Parabel: Eine Geschichte mit Bild- und Sachebene. Die anderen dürfen sie selbst interpretieren und die Botschaft verstehen – das sollte aber eher einfach gehen.
Beispiel
Angenommen, ich biete einen Workshop zu Storytelling im Marketing an (hey, gute Idee!). In einem Newsletter möchte ich den bewerben – und meine Botschaft, dass man im Content-Marketing mit Ministorys überzeugen kann, wiederum mit einer Ministory vermitteln. (Kommst du mit auf die Meta-Ebene?) Dann könnte ich so einsteigen:
Ernest Hemingway ging einmal eine gewagte Wette ein.
Er behauptete, dass er in nur sechs Wörtern eine Kurzgeschichte erzählen könnte.
Seine Freunde lachten und hielten dagegen.
Sie lachten nicht mehr, als er ihnen die Geschichte zeigte.
Sie geht so: „Zu verkaufen: Baby Schuhe, nie getragen.“
Dieser kurze, herzzerreißende Satz zeigt: Geschichten müssen nicht lang sein, um unsere Emotionen zu wecken.
…
Jetzt du!
- Wähle ein Produkt/eine Dienstleistung von dir aus.
- Überlege dir eine Botschaft dazu.
- Such dir eins der fünf Storyformate aus, denk dir eine Story aus und starte deinen nächsten Newsletter/Social Media Post/Produkttext damit.
- Dann mach dasselbe mit einem zweiten Format – und staune, wie du dieselbe Botschaft ganz anders rüberbringen kannst!
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